Ferienzeit – Reisezeit
Liebe Leserinnen und Leser,
Wir befinden uns mitten in der «grossen Sommerpause», die oft gleichgesetzt ist mit längeren Ferien und ausgedehnten Reisen. Wir nutzen die vergleichsweise ruhige Sommerzeit dafür, etwas Abstand zu gewinnen und abzuschalten oder Neues zu entdecken und uns weiterzubilden. Überall in Europa sind die längsten, weil mehrwöchigen, (Schul-)Ferien jeweils in den zwei heissesten Monaten des Jahres im Juli und August – je weiter südlich, desto länger diese offizielle Auszeit.
© Foto: Johannes Diederen
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Für Kirchenmusiker praktisch ist die Tatsache, dass in dieser Zeit auch liturgisch ziemliche Flaute herrscht, denn die grossen Feiertage finden wir im Juni (Pfingsten) und September (Bettag). Mit zwei grossen Ausnahmen im August: den Nationalfeiertag, den wir – und das ist doch aussergewöhnlich – auch in der Kirche mit einem Gottesdienst feiern, und Maria Himmelfahrt in der Mitte des Monats.
Fast wie Bögen einer romanischen Kirche...
© Foto: Heinz Huser. Rhätische Bahn auf dem Landwasserviadukt
Aber nicht nur in der Kirche ist der Sommer die Zeit der grossen Pause. Viele kulturelle Institutionen machen ihren «Break» ebenfalls in den Sommermonaten, das heisst die Saison endet im Juni oder Anfangs Juli und startet erst wieder im September. Auch die schweizerische Musikagenda, die vom SMPV herausgegeben wird, richtet sich nach einer Spielzeit oder einem Schuljahr und startet im Frühsommer. Die Sommerferien sind da eine wichtige Schnittstelle, in der wir uns eine Auszeit gönnen.
Juli und August sind also für viele die Zeit, in der wir die Koffer oder Rucksäcke packen und uns anschicken, den Alltag hinter uns zu lassen. Ob wir in der Nähe bleiben oder uns auf abenteuerliche Fahrt begeben, ist dabei sehr individuell und vielleicht auch den persönlichen Umständen (und der Vorliebe von Mitreisenden und Familienangehörigen) geschuldet.
Geht die Fahrt auch zu Ende - die Erinnerung bleibt
© Foto: Heinz Huser. Rhätische Bahn auf dem Kreisviadukt in Brusio GR
Interessant ist, was von diesen Ferien uns in Erinnerung bleibt. Was machen Reisen mit uns? Dieser Frage ist die Wissenschaftsjournalistin Katja Senjor nachgegangen. Ihr sehr lesenswerter Artikel mit dem Titel «Was im Kopf bleibt» ist im Juni in der Zeitschrift GEO erschienen. Senjor verbindet darin eigene und fremde Reiseerfahrungen mit Erkenntnissen aus Neurologie und Kognitionspsychologie. In Gesprächen mit Wissenschaftlerinnen und Forschern geht sie der Tatsache auf den Grund, dass manche unserer schönsten Erinnerungen mit Reisen zu tun haben.
Wir erholen uns im Urlaub. Aber unser Gehirn dreht dabei ziemlich auf Hochtouren. Zum Glück.
Sinnlicher Genuss kurbelt die Erinnerung an.
Wer an Miss Liberty vorbeischippert oder die Kimonoparade vor der Yasaka-Pagode in Kyoto mit eigenen Augen sieht, vergisst sie nicht so schnell. Denn unser Gehirn speichert selbst Erlebtes besonders gut: als Episode, verbunden mit Ort und Zeit.
Es geht weniger darum, wohin wir reisen, als vielmehr, wie.
Unser Gehirn verankert Dinge manchmal sogar besser, wenn wir sie uns schwer erklären können.
Das Gehirn hat ein Tempolimit. Wer zu viel reist, ist irgendwann mit den Nerven fertig.
Die Länge einer Reise spielt kaum eine Rolle. Am meisten brennt sich ein, was wir in der ersten Ferienwoche erleben.
Erinnerungen an Reisen können überraschende Glücksmomente auslösen.
Jedes Mal, wenn wir uns erinnern, speichern wir eine neue Version. Das Gedächtnis ist wie ein flüssiges Medium.
Das Gedächtnis ist oft nicht faktentreu. Unbewusst tischen wir unserem Gegenüber beim Erzählen eine neue Version der Reise auf.
zitiert aus: Senjor, Katja: «Was im Kopf bleibt», in: GEO 6/2025, S. 26ff
Hoch hinaus - und angekommen
© Foto: Heinz Huser. Rhätische Bahn beim Ospizio Bernina, dem höchstgelegenen Bahnhof Graubündens auf 2253 m.ü.M.
Manche der Erkenntnisse aus der Kognitionsforschung lassen sich auch auf andere Bereiche übertragen – auf die Musik zum Beispiel. Denn in ihrem Artikel zeigt Katja Senjor auf, dass ein Song, den man zum ersten Mal in den Ferien gehört hat, ein Auslöser sein kann für eine veritable Erinnerungskaskade. Um wieviel mehr würde uns ein Musikstück in Erinnerung bleiben, das wir selber musiziert haben? Und welches Potenzial hat die Kombination aus Reisen / Ferien und Musik? Haben Sie selber auch Erinnerungen an Musikwochen, musikalische Sommerkurse oder musikalische Ferienerlebnisse? Lassen Sie es uns doch gerne wissen und helfen Sie uns dabei, diesen Monat unseren Rubrik «blick∾fang» und «wort∾meldung» mit Eindrücken aus aller Welt zu füllen.
Wir wünschen eine erholsame Sommerzeit!