Vom Schmerz zur Herrlichkeit: Der Weg des Kreuzes im Gesang
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Karwoche und Ostern sind eine Reise von der Dunkelheit ins Licht, vom Leiden zur Erlösung. In diesen Tagen ist die Musik nicht nur eine Begleitung, sondern ein wesentliches Mittel, um die tiefen Geheimnisse des Glaubens zu erleben und zu verstehen. Der sakrale Gesang wird zur Stimme dieses Übergangs: Er drückt den Schmerz der Passion aus, begleitet das Schweigen des Wartens und bricht schliesslich in die Freude der Auferstehung aus.

Piero della Francesca - La Resurrezione
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Heute, in einer Welt voller Spannungen, Konflikte und Unsicherheiten, bietet uns die Liturgie der Karwoche einen Weg zur Reflexion. Schmerz und Dunkelheit sind keine fremden Erfahrungen in der Menschheitsgeschichte, sondern Etappen eines Weges, der uns tief berührt. Angesichts von Kriegen, sozialen Krisen und politischer Instabilität lädt uns der Karfreitag ein, nicht vor dem Leiden wegzusehen. Die Musik dieser Tage lehrt uns, vor dem Kreuz zu verweilen, das Leid zu erkennen, ohne davor zu fliehen, und die Stimme der Leidenden zu hören.
Aber die Liturgie bleibt nicht beim Freitag stehen. In der Dunkelheit des Karsamstags verstummt die Musik und macht Platz für eine Stille, die nicht Abwesenheit bedeutet, sondern Erwartung. Diese Stille, die in der Hektik unserer Zeit so selten ist, lehrt uns den Wert der Hoffnung, das Vertrauen, dass auch in der tiefsten Dunkelheit ein Licht entstehen kann.
Dieses Licht bricht im Gesang der Osternacht hervor. Resurrexi et adhuc tecum sum, das am Ostersonntag gesungen wird, ist ein aussergewöhnliches Beispiel dafür, wie der gregorianische Gesang den Triumph des Lebens über den Tod ausdrücken kann. Die Melodie beginnt mit einer aufsteigenden Bewegung, die sich fast schwebend erhebt, wie eine Morgendämmerung, die die Nacht durchbricht. Es ist ein Gesang des Sieges, aber nicht eines mit Gewalt errungenen Sieges: Es ist die Freude des auferstandenen Christus, der das Leid nicht auslöscht, sondern es verwandelt. Dieser Gesang erinnert uns daran, dass die Herrlichkeit der Auferstehung das Kreuz nicht ignoriert, sondern es erfüllt.